Gotteslob – das popularmusikalische Material

Zum neuen Gotteslob, das 2014 erschien,  sind im Strubeverlag umfangreiche Begleitmaterialien für den Bereich Neues Geistliches Lied (NGL) erschienen. Herausgeber ist das Amt für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg – Stuttgart. Für die Publikation ausgewählt wurden Lieder des Stammteils, sowie der Eigenanteile der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Erzdiözese Freiburg. Damit stellt sich bereits hier die Frage ob die ohnehin schon kritisierte „popmusikalische“ Auswahl des Gotteslobes überhaupt eine Auswahl erlaubt und wenn ja: welche? Diese Frage beantworten die Herausgeber nicht. Sie gehen schlicht davon aus, dass das veröffentlichte Material popmusikalisch Musizierende wie Bands oder Gospelchöre anspricht. Aus diesem Grund war ihre Intention eine dreifache: Einmal ging es darum für unterschiedliche (popmusikalische) Besetzungen neue Arrangements für Lieder des Gotteslobes zur Verfügung zu stellen. Zum Zweiten war es den Herausgebern wichtig Gottesdienste „liturgisch angemessen zu gestalten“, wobei dieser Aspekt nicht differenziert wird und so weitgehend unklar bleibt. Ein dritter Punkt betrifft den Wunsch NGL auch in der Schule und im Religionsunterricht verfügbar zu machen. Dabei war es den Machern wichtig exemplarische Tonaufnahmen zur Verfügung zu stellen, die auch Band- und Chorleitern einen Eindruck zur musikalischen Gestaltung vermitteln sollen. Erschienen ist deswegen auch eine Doppel-CD (Vollaufnahme und Playback) mit 35 Titeln. Als Printmaterial sind stolze sieben Hefte aufgelegt worden. Bis auf das Chorbuch allesamt als Ringbuchausgaben. Damit ist deren Praxistauglichkeit zumindest im Bezug auf die Handhabbarkeit schon bewiesen. Auch die Idee das Liedmaterial als Baukasten aufzubereiten ist ansprechend, prinzipiell aber nichts Neues. Stellt sich also die Frage nach Inhalt und Aufbereitung der Titel. Bei den ausgewählten Liedtiteln handelt es sich ausschließlich um mehr oder weniger bekannte Titel des bekannten NGL-Spektrums einschließlich der hinlänglich bekannten Autoren der Szene – auch bei den Liedern der diözesanen Eigenanteile (Eugen Eckert, Kathi Stimmer-Salzeder, Norbert M. Becker, Alejandro Veciana, Peter Janssens, Wilhelm Wilms, Thomas Gabriel, Johannes Jourdan, Thomas Laubach, Thomas Quast, etc.). Wer wirklich populäre Musik machen möchte, wie in der Gebrauchsanweisung des Partiturbandes beschrieben, wird hier nicht fündig. Denn „liturgisch angemessene Musik“ war und ist oft vieles – aber leider eben nicht unbedingt wirklich populär. Es läge also am Arrangement um das entsprechende Pop- oder Rockfeeling zu „erzeugen“. Bei immerhin 68 (!) Neuarrangements sollte man davon ausgehen, das sich da der ein und andere Popstyle-Treffer finden liese. Leider sind wirkliche Popstilistiken (Ballade, Funk-Rock, Reggae-Ska, etc.) aber kaum vorhanden. So bleibt es meist bei altbekannten NGL- bzw. Sacropoparrangements. Darunter sind durchaus ansprechend zu nennende Umsetzungen (etwa „Gloria“, „Jesus Christ you are“, „Komme, geheimnisvoller Atem“, „Wenn das Brot“, „Heilig“) zu finden, die im bekannten Mainstream zu überzeugen wissen. Es bleibt aber bei einer eher kleinen Zahl. In diesem Zusammenhang ein Wort zur CD. Hier wurde mit viel Engagement versucht die Arrangementvorschläge umzusetzen. Dies gelingt auch. Die Studioband spielt dabei auf hohem Niveau, das Timing stimmt und es entsteht ein durchaus differenziertes Bild davon, wie sich das Anhören kann, was in den Printmaterialien als musikalischer Steinbruch vorliegt. Wünschen würde man sich allerdings einen Chor der wirklich popmusikalisch singt, also Mut hat zum zupackenden Stimmeinsatz und dynamischer Breite. Das was zu hören ist kommt über ein „nett gemacht“ leider nicht hinaus und wird durch die vielfach brav agierenden Soloinstrumente noch verstärkt. Hier liegt auch ein Wiederspruch zu den in der Handreichung des Partiturbuches zum Thema Dynamik und Klangbalance angegebenen Tipps. Möglicherweise lag das durchschnittliche Klangerlebnis aber auch an der Abmischung – der Chor bleibt immer seltsam indifferent – oder eben an dem, was man oder frau, um es ein zweites Mal zu nennen, unter „liturgisch angemessen“ versteht. Das gilt auch für die dankenswerterweise fast immer vorliegenden dreistimmigen Chorsätze. Die sind zwar schön zu singen muten aber alle seltsam ähnlich an. Popmusik klingt schlicht anders – von Rockmusik ganz zu schweigen. Und auch Chorsätze können mal gospeln, mal soulig kratzen, bluesig angehaucht sein oder rockig vorwärts drängen. Hier leider Fehlanzeige. Pluspunkt der CD: die Playbacks schaffen für den Einsatz als Übematerial oder zum Schulgebrauch die notwendige solide Grundlage. Die Handhabung und der Einsatz der Druckausgaben ist unkompliziert und in der Regel unproblematisch. Hier wurde übersichtlich und handwerklich sauber gearbeitet. Einige Seitenumbrüche sind nicht wirklich überzeugend, schmälern aber nicht den Wert. Etwas zu klein geraten ist die „Schriftgröße“ des Partiturbuchs. Bei 267 Seiten Gesamtumfang ist dies aber zumindest erklärbar. Jede Vergrößerung hätte eine deutliche Steigerung des Seitenumfangs zur Folge gehabt. So braucht es scharfe Augen und gutes Licht um sie auch bei der Aufführung und nicht nur zur Vorbereitung einzusetzen.

Alles in allem sind diese Materialien zum Gotteslob also ein Kompromiß. Pop- und Rockmusiker werden sie nicht wirklich überzeugen. Das hier bereitgestellte Angebot bewegt sich eben nicht aus dem Spektrum des NGL heraus und bietet keine große popstilistische Bandbreite. Das muss man als Nutzer wissen. Wenn man das berücksichtigt und außerdem die große liturgische Bandbreite in Augenschein nimmt, so ist das angebotene Material im Bezug auf das Preis- Leistungsverhältnis eine wahre Fundgrube. Vor allem für die Gestaltung von Gottesdiensten – und dafür wurde es konzipiert.

Thomas Nowack