Silben zählen, ein ordentlicher Reim, der Inhalt verständlich: Der Liedtext ist geboren. So einfach, so logisch. Ab damit zum Komponisten. Tja, und dann bekommt man die Melodie für die erste Strophe und den Refrain und plötzlich muss man ein sehr variabler Interpret sein, denn die Melodie passt auf die anderen Strophen so ganz und gar nicht. Nanu, was ist denn da passiert? Wer das wissen will, und wer vor allem erfahren möchte wie es richtig geht, der sollte sich das „Handbuch für Songtexter“ von Edith Jeske und Tobias Reitz zulegen. Denn in diesem Buch lernt jeder (angehende) Texter, welche Erzählformen es gibt (z.B. Reihenlied), was ein Songfahrplan ist und warum die Erzählzeit und der Spannungsbogen wichtig sind. Nicht zuletzt werden die Feinstrukturen wie Metrum und Reim erklärt und das auf eine so liebevolle und verständliche Art, dass die Freude der Autoren an der deutschen Sprache auf den Leser überspringt. Zum Schluss darf man der Autorin noch bei der Entstehung eines Liedtextes über die Schulter schauen. Warum das alte Konzept nicht funktionieren konnte, das versteht man spätestens jetzt. Mir gefällt an diesem Handbuch, dass es eigentlich ein Arbeits- buch ist. Es kann immer wieder zur Hand genommen werden, um zu üben. Das gilt ebenso für die Online-Lounge, auf die regelmäßig verwiesen wird, wenn es darum geht, das Gelesene zu vertiefen und anzuwenden. Den Autoren gelingt es aus grauer Theorie mit Hilfe von vielen bekannten Text-Beispielen eine bunte Materie zu machen. Lediglich das Lektorat hätte etwas sorgfältiger arbeiten dürfen. Aber selbst das schmälert nicht den Wert für den Leser, der gerne deutsche Liedtexte verfassen will.
Sabine Ehrensperger