Kirche begeistert erleben

Gospel ist nach wie vor in aller Munde. Und das Phänomen ist so interessant, dass dazu auch immer wieder geforscht wird. Jan Meyer, Kantor der Gospelkirche Hannover und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institutes für Theologie der Leibnitz Universität Hannover, hat dazu eine Studie zu Wirkung und Potenzial des Internationalen Gospelkirchentages herausgebracht.
2009 hatte das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD zusammen mit der Stiftung Creative Kirche eine Studie mit dem Titel „BeGeisterung durch Gospelsingen“ veröffentlicht, bei der Gospelchöre
bundesweit befragt worden waren. Diese Studie, erstellt durch Petra-Angela Ahrens, belegte seinerzeit,dass Gospelchöre Menschen anziehen, die im kirchlichen Gemeindeleben seltener anzutreffen sind, sie keine Nachwuchssorgen plagen und dass sie in Kirchengemeinden gelebte Ökumene gestalten. Darüber hinaus wirken Gospelchöre integrierend und gemeinschaftsbildend und sie entfalten missionarisches Potenzial.
Zehn Jahre später wurde nun unter ähnlichen Gesichtspunkten der Internationale Gospelkirchentag unter die Lupe genommen. Er findet seit 2002 alle zwei Jahre im Wechsel mit dem DEKT, aber als eigenständige Veranstaltung, statt und wird von der Stiftung Creative Kirche in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Landeskirche durchgeführt. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Studie zeigt im Wesentlichen, dass die Gospelmusik auch in den nächsten Jahren zu einer vielfältigen Kirchenmusik beitragen wird und ebenso, dass Gospelkirchentage dabei eine starke Rolle spielen werden. Diese „Rezension“ möchte versuchen einige wenige Faktoren der Studie näher zu beleuchten und Interessierten den Erwerb und die Lektüre der gesamten Studie zu empfehlen, denn auf Ergebnisse einzelner Fragen einzugehen würde die Möglichkeiten dieser Besprechung sprengen.
Bei Studien ist zunächst das Setting der wichtigste Faktor in Bezug auf die Relevanz der Aussagen. Deshalb sei dies hier zu Beginn kurz dargestellt. Die Studie wurde in Form einer standardisierten
schriftlichen Befragung unter Teilnehmer*innen des 9. Internationalen Gospelkirchentags in Karlsruhe sowie unter Mitarbeiter*innen der Evangelischen Landeskirche in Baden (EKiBa) durchgeführt. Viele Fragebogenitems der Studie von 2009 wurden dabei für die Vergleichbarkeit (komplett oder leicht modifiziert) übernommen. Die Befragung der Teilnehmer*innen fand im Rahmen der MassChoir-Probe statt. Die Mitarbeiter*innen erhielten die Fragebögen postalisch über die EKiBa. Die Rücklaufquote bei den Teilnehmenden lag bei 23 % (= 1.057 Personen). Die Rücklaufquote bei den kirchlichen Mitarbeiter*innen lag bei 12 % (=115 Personen). Man kommt nicht umhin, diese Werte als exzellent zu bezeichnen. Viele Umfragen würden sich derartige Rückläufe wünschen. Die Relevanz ist damit gegeben. Allerdings sei ein Punkt in diesem Zusammenhang anzumerken: Alle Schlüsse, die aus Studien gezogen werden, hängen nicht nur von der Belastbarkeit der Rückläufe ab, sondern auch von den Personen, die befragt werden. Diese, wie ähnliche Studien, befragen Menschen, die im Themenfeld unterwegs sind. Dies gilt es zumindest im Blick zu behalten, wenn man das getroffene Fazit in manchen Bereichen bewerten will. Trotzdem kann das Resümee Richtungen aufzeigen, die für die kirchenmusikalische Arbeit der nächsten Jahre wichtige Eckpunkte liefern können, auch wenn die vorliegenden Ergebnisse klar dem Gospelkirchentag zugeordnet werden.
Aus der Fülle der Ergebnisse seien folgende Punkte benannt:

„Der Gospelkirchentag spricht vor allem die Gruppe der 45- bis 59-Jährigen an.“ Das ist in Bezug auf die Arbeit vor Ort ein wichtiger Faktor, denn hier spiegelt sich die Entwicklung der Demografie wieder. Nachwuchsgewinnung muss neu und anders bedacht werden.

„Der Gospelkirchentag ist attraktiv für Menschen unterschiedlicher formaler Bildungsstände.“
Dieser Umstand überrascht und stellt eine Herausforderung für den kirchlichen Alltag dar. Die zentrale Frage lautet, wie Menschen mit weniger hohen Bildungsgraden auch im (kirchlichen) Alltag erreicht werden können.

„Der Gospelkirchentag wirkt integrativ in Bezug auf die Ökumene.“
Hier kommt allerdings auch die grundsätzlich integrative Wirkung von Musik als solcher zum Tragen. Diese nur auf Gospel zu beziehen wäre ein Fehler, den die Studie auch benennt.

„Der Gospelkirchentag leistet einen wichtigen Beitrag zur Fortbildung im Bereich der kirchlichen Popularmusik und popularen Chormusik. Dieser Aspekt muss durch Basisangebote in den Landeskirchen
ergänzt werden.“
Die hier vom Autor ausgemachten Defizite in den Landeskirchen können so allerdings von mir nicht nachvollzogen werden. Einig bin ich aber mit dem Autor in der Einschätzung, dass vorhandene Angebote
besser der breiten Öffentlichkeit des Gospelkirchentages und Interessierten in den Landeskirchen nahe gebracht werden müssen.

„Der Gospelkirchentag ist öffentlichkeitswirksam und damit ein gutes Instrument auch Kirche attraktiv darzustellen.“
Dieser Faktor ist nicht neu und durch den DEKT oder den Katholikentag hinlänglich belegt. Trotzdem ist es wert, darüber nachzudenken wie Kirche sich in Zukunft darstellt. Populare Musik wird dabei
ein wesentlicher Aspekt sein.

„Singen im Gospelchor bleibt nicht wirkungslos“
Diesen Aspekt stellte 2009 bereits Ahrens fest. Dies lässt sich durch die vorliegende Studie bekräftigen. Fast die Hälfte der Sänger*innen nimmt durch das Singen im Gospelchor eine stärkere Verbundenheit mit der Kirchengemeinde wahr. Selbst von denen, die sich kaum mit der Kirche verbunden fühlen, spürt ungefähr ein Drittel diesen Effekt, der dann auch Konsequenzen nach sich zieht:
Ein Drittel der Befragten gibt an, durch das Mitsingen im Gospelchor sowohl andere kirchliche Veranstaltungen als auch Gottesdienste häufiger zu besuchen.

Aus dem Vorgestellten lassen sich eine Reihe von Empfehlungen ableiten, die ich dem Gospelkirchentag und auch der Kirchenleitung ans Herz lege. Dazu gehören erweiterte Kooperationen der unterschiedlichen Akteure im kirchenmusikalischen und Jugendarbeits-, aber auch im außerkirchlichen Musikbereich. Einen der zentral wichtigsten Faktoren mache ich im Bereich der Nachwuchsförderung
auf allen Ebenen aus. Dazu kommt eine Öffnung nach vielen Seiten: für Stimmentdecker (Agenturen, etc.),für andere Regionen, für eine erweiterte Ökumene, für eine bessere Vernetzung, schlicht für eine Musik in Vielfalt. Dazu ließe sich im Detail vieles sagen und vor allem trefflich diskutieren –dazu möchte diese Studie anregen. Wenn sie diesbezüglich wahrgenommen wird und sich Teile davon in die Arbeit in den Landeskirchen und vor Ort integrieren lassen, kann auch Kirche das vorhandene Potential nutzen.
Thomas Nowack