Monatslied 2 – Komm vom Schatten ins Licht

Wieder haben die Aktiven der Nordkirche zwölf Lieder unter den Gesichtspunkten radiotaugliche Popmusik mit verständlichen deutschen Texten,Vermeidung theologischer Fachtermini, guter Gottesdienstsingbarkeit und einer Orientierung ausschließlich an Popsongstrukturen aufgelegt. Auch 2019 lautet das Credo, dass sich durch die von der aktuellen Popmusik geprägten Sprache, dem Sound, auch die Sprache im Gottesdienst verändert: weg von einer Kanzelsprache hin zu einer Bildsprache, die auch für kirchenferne Gemeindeglieder zu verstehen ist. Die Webseite zum Projekt (monatslied.de) ist weiter mit kostenlosem Notenmaterial und anderen downloadfähigen Angeboten online. Alle zwölf Songs sind auch mit exzellent gemachten Musikvideos, auf YouTube eingestellt und mit der Webseite verlinkt. In Bezug auf eine gute Öffentlichkeitswirkung die einzig richtige Entscheidung, da so die Reichweite um einiges größer ist.

Musikalisch und textlich hat sich im Vergleich zum letzten Jahr noch viel getan. Die oben benannten Gesichtspunkte sind aus der Sicht des Rezensenten bis auf die Frage der Gemeindemitsingbarkeit noch besser und das Credo noch konsequenter umgesetzt worden. Mit diesen Songs wird man kirchenferne Menschen sicher erreichen. Vermutlich allerdings, und das ist der zweite Haken, nicht im Gottesdienst. Vielleicht hat auch deswegen ein Themenlied des Kirchentages Eingang in die Songfolge gefunden. Denn kirchenfremde Menschen lassen sich meist nur schwer dazu bewegen, einen Gottesdienst zu besuchen. Wenn dann nur eines der dort angebotenen Lieder ein Monatslied ist und das auch nicht in der Form angeboten wird, wie im Video
verfügbar, dann ist vielleicht auch die Enttäuschung groß.

Schwierig ist es auch, die Lieder dieses (Kirchen)Jahres mitzusingen. Allenfalls bei zwei Liedern („Wir warten“ und „Noch nicht“) ist das auf Anhieb der Fall. Bei weiteren Liedern gibt es mitsing-geeignete Teile. Hier schrauben sich vor allem die beiden Lieder mit Stadionatmosphäre („Das Leben will raus“ und „Das leuchtende Band“) ins Ohr. Grundsätzlich finden wir 2019 aber exzellent gemachte Popsongs, die Geschichten in der Weise der Autoren erzählen und die deswegen nur bedingt mitgesungen werden können. Das zeigt sich vor allem in der melodischen Umsetzung, die rhythmisch extrem ausgefeilt und fast durchgängig bei allen Songs auch mit schwierigen melodischen Wendungen und Sprüngen versehen ist. Hier kann also ein Teil des Anspruchs nicht eingelöst werden. Aber! Großes Ausrufezeichen! Das schmälert nicht die Freude an diesen unglaublich guten Songs. Denn die können religiös unmusikalische Zeitgenossen unglaublich gut abholen – allerdings eher beim Wohnzimmerkonzert, in der Liedermacherkneipe, Freitagabend im Club ihrer Wahl, in der Halbzeitpause beim Fußballspiel, …

Schon Jesus ist zu den Menschen gegangen und hat sie nicht in die Synagogen geholt. Diese Lieder mitsamt den Interpreten und ihren Bands hätte er vielleicht im Gepäck gehabt. Also doch ein musikalischer Volltreffer für 2019 – und vermutlich darüber hinaus. Allerdings etwas anders als von den Machern möglicherweise gedacht.

Thomas Nowack