Rock & Jazz Harmony

„Na, da hast du dir was vorgenommen“, denke ich, als das Buch „Rock & Jazz Harmony“ mit seinen knapp eineinhalb Kilo in meinen Händen liegt. Doch meine Befürchtung, 780 Seiten Musiktheorie könnten erschlagend wirken, weicht schnell wachsender Begeisterung. Um es vorweg zu nehmen: Mathias Löfflers „Rock & Jazz Harmony“ ist ein Meisterwerk. Anfängern bietet es einen leichten und motivierenden
Einstieg. Es ist aber so umfassend und vollständig, dass auch ausgekochte Profis noch eine Menge lernen können.
Inhaltlich könnte man das Buch in drei Abschnitte gliedern: Der erste besteht aus drei Kapiteln mit den Überschriften „Grundlagen“, „Erweiterte Harmonik“ und „Funktionelle Grundharmonik“. Die 520 Seiten sind hervorragend aufgebaut, unterhaltsam und verständlich geschrieben. Tabellen, Noten- und Songbeispiele sowie kurze Zusammenfassungen für Querleser und Übungen am Ende jeder Themeneinheit helfen beim Erarbeiten des Lernstoffs.
Der zweite Abschnitt ist drei Themen gewidmet, die in vielen Harmonielehren eher stiefmütterlich behandelt werden: modale Harmonik, modal Interchange und Blues. Auf knapp 100 Seiten eröffnet Matthias Löffler dem Leser eine Sicht der Dinge, ohne die ein vollständiges Verständnis von Rock, Pop und Jazz nicht möglich ist.
Zwei praxisorientierte Kapitel mit den Themen „Improvisation“ und „Analyse“ bilden den dritten Abschnitt. Alle gängigen Konzepte der Improvisation wie z.B. Pentatonik, Akkordspiel, Superimposing und Targeting werden beleuchtet. Harmonische Analysen stilistisch unterschiedlicher Musikstücke runden das Buch ab und helfen dem Leser, sein Wissen anhand von Praxisbeispielen zu vertiefen.
Praxisbeispiele gibt es in „Rock & Jazz Harmony“ jede Menge. Beeindruckend ist die stilistische Vielfalt zwischen Klassik, angesagten Chartsongs, Alternative Rock und Jazz, auf die Matthias Löffler zurückgreift. Viele der Beispiele sind mittels QR-Code zu YouTube verlinkt. Auf der Homepage des Verlages stehen dem Leser 75 Hörbeispiele im MP3-Format und mehrere Bonuskapitel zur Verfügung. Diese sind noch einmal echte Highlights zu Themen wie Gehörbildung, Stolperfallen bei der Akkordbenennung und Übemethodik.
Genauso beeindruckend wie der Inhalt ist der didaktische Aufbau. So wird z.B. im Grundlagenkapitel nur so viel über Intervalle verraten wie man braucht, um Drei- und Vierklänge zu verstehen. Hundert Seiten später widmet Löffler den Intervallen dann ganze zehn Seiten und schafft damit die Grundlage, auch komplexe Jazzakkorde korrekt zu bezeichnen. Löfflers Schreibstil ist gleichzeitig präzise und unterhaltsam. So bleiben die Schwindelgefühle, die einen normalerweise beim Lesen von Harmonielehren beschleichen, aus.
Fazit: Vorbei sind die Zeiten, in denen man mehrere Harmonielehren querlesen oder sich durch staubtrockene Abhandlungen quälen musste. Engagiert, kompetent, unterhaltsam anschaulich und praxisnah führt Mathias Löffler den Leser durch die ganze Welt der Rock- und Jazz-Harmonik. Es gelingt ihm, kein Detail auszulassen, ohne sich dabei in Details zu verlieren. „Rock & Jazz Harmony“ ist Komplettkurs, Aufbaukurs, Masterclass und Nachschlagewerk in einem. Einsteiger, Profis und Musikpädagogen finden hier einen Freund fürs Leben, den man aufgrund seines Umfangs nicht verlieren
und aufgrund seines Inhalts nicht mehr aus der Hand legen wird. Das einzige, was ich beim Lesen nicht finden konnte, ist das sprichwörtliche Haar in der Suppe.
Michael Ende