Peter Hamburger, Stefan Nadolny und Friedemann Schmidt-Eggert bekamen für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2015 den Auftrag, ein Gemeinde-Oratorium unter dem Titel „Wie
klingt Gott?“ zu verfassen. Dabei kamen sie zur Erkenntnis, dass sie die Berichte der Bibel, in denen Gott direkt spricht, zum Klingen bringen wollten. Inhaltlich waren es die alttestamentarischen
Gottesbilder und die neutestamentarischen Seligpreisungen, die nun schwerpunktmäßig vertont wurden.
Stilistisch bewegt sich das Oratorium dem entsprechend zwischen alten und neuen Welten: angefangen mit traditionellen Chorälen, einem wiederkehrenden Ritornell, (freien) Rezitativen, Traditionals wie „Go down Moses“, gefolgt von Popmusik (Reggae, Funk, Pop-Ballade, Latin, Rap, Samba u.a.) bis zu experimentellen Elementen. Das alles höchst stilsicher und für die beteiligten
Chöre und Bläser gut machbar. Die Band sollte allerdings mit sehr guten Musikern besetzt sein, damit die unterschiedlichen Stile auch funktionieren. Zum Klingen gebracht wird das alles von den Gemeindeensembles, vielleicht tun sich da auch mehrere Gemeinden zusammen. Besetzt sind zwei Chöre („Klassik-Chor“ und „Pop-Chor“), ein Posaunenchor, Orgel, Solisten (kann auch nur ein Solist singen), ein Rapper, ein Sprecher und eine gut groovende Band. Der Klaviersatz ist ausnotiert, so dass er für Proben gut das musikalische Geschehen abbildet. Wenn die ganze Band (Klavier, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Saxophon für Improvisationen) mit dabei ist, muss der Klavierpart entsprechend ausgedünnt werden.
Aufgeteilt ist das Werk in fünf thematische Teile, die von einer Ouvertüre und einem Finale eingerahmt werden. Der erste Teil („Gott erschafft“) startet mit einer „Schöpfungsimprovisation“, in der das Chaos am Schluss eine Ordnung findet, unter Beteiligung der Chöre, Bläser und Orgel. Im zweiten Teil („Gott verheißt“) werden unter anderem Texte von Jochen Klepper und verschieden Liedern aus dem EG (512, 446) vertont. Der dritte Teil („Gott handelt“) zeigt, wie Gott unter uns ist. Im vierten Teil („Gott hadert“) und im fünften Teil („Gott kommt uns nah“) kommt die ganze Bandbreite der kirchenmusikalischen Möglichkeiten zum Tragen. Gekonnt werden die unterschiedlichen Stilistiken und Genres der letzten Jahrhunderte verwendet, um die Texte so ausdrücklich wie möglich auszudeuten, vom Choral über das Rezitativ, vom Pop über den Samba bis rudimentär notierten Improvisation für Chöre, Bläser und Band. Abgeschlossen und zusammengefasst wird es dann im Finale im Latin-Stil und dem Schlusschoral mit der Frage „Wie klingt Gott denn, wenn er klingt?“. Der Antwort darf dann der Hörer nachspüren in der (einminütigen) STILLE, mit der das 60- bis 70-minütige Werk schließt.
Die Chor- und Bläsersätze sind gut machbar und toll gesetzt, der „Klassik-Chor“ ist SATB besetzt, der „Pop-Chor“ mit SAM. Der ausnotierte Klaviersatz ist stiltypisch, benötigt aber einen
versierten Spielenden. Die Bläser spielen vierstimmig und die Band benötigt mindestens Klavier, Bass und Schlagzeug, allerdings sollten auf Akustik- und E-Gitarre sowie auf ein Saxofon nicht verzichtet werden. Die Solo-Songs können von einem oder auch von drei Solisten gesungen werden. Dazu braucht es noch einen Rapper und einen Sprecher.
Das Oratorium ist ein sehr lohnendes „Gemeinde-Projekt“, für das sich auch mehrere Gemeinden oder Chöre und Ensembles zusammentun können. Musikalisch, textlich und stilistisch führt es die Möglichkeiten und musikalischen Traditionen der Kirchenmusik zusammen und gießt es in das musikalisches Gewand von heute. Ich wünsche diesem Werk viele Aufführungen und den musikalisch Beteiligten, den Gemeinden und den Zuhörenden ein großartiges Erlebnis.
Michael Martin