Zukunftsmusik

„Neben den bekannten, vertrauten und lieb gewordenen „Kanälen“ Orgel, Gesangbuch-Chorälen, Taizé, Chor- und Bläsermusik drängen die Lobpreismusik und Anbetungsbewegung mit Nachdruck ins Konzert der etablierten Player und wollen auch „mitspielen“. So lassen uns die vier Verantwortlichen der Broschüre „Zukunftsmusik“ im Vorwort zu dieser Arbeitshilfe von musikplus und „Perspektive entwickeln“ des ejw Württemberg wissen. Was uns dann auf 88 Seiten thematisch vorgelegt wird, hat es in sich. Denn das, was diese Arbeitshilfe an geballtem Wissen, Daten, Informationen, Tipps und enorm ausgewogenem und behutsamen Umgang mit dem Thema zu bieten hat, sucht seinesgleichen. Das ganze Heft atmet die Erfahrung vieler Jahrzehnte von
Grabenkämpfen zwischen Klassik und Pop.

Was aus Sicht des Genres christlicher Popularmusik nicht ganz nachvollziehbar ist, ist deshalb die Einengung auf Lobpreis und Anbetung. Das mag aus württembergischer Sicht eine Rolle spielen – und für diese Landeskirche ist diese Broschüre ja auch erstellt worden. Wirklich einleuchtend ist diese Eingrenzung nicht, denn primär geht es ja um das Genre Pop in seiner Ausformung als christliche Popularmusik. Die Einschränkung läge evtl. in der Zielrichtung in Bezug auf Gottesdienst und Liturgie bzw. der im Vorwort ausgemachten „Anbetungsbewegung“. Den Leser laden zwanzig thematisch breit gefächerte Artikel einer hochqualifizierten Autorenmannschaft (Douglass, Baltes, Faix, Herbst, Frey, um nur Einige zu nennen) zum Nach-, Quer- und Weiterdenken und zu begeisternder Zustimmung oder heftigem Widerspruch ein. Also genau zu dem, was eine derartige Arbeitshilfe zu leisten im Stande sein sollte. Ein Highlight sind die an den Schluss gestellten „Worte“ an Pfarrerinnen und Pfarrer, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, Veranstalterinnen und Veranstalter, Jugendreferentinnen und Jugendreferenten, Musikerinnen und Musiker und, ja auch: Songwriterinnen und Songwriter. Aus der je subjektiven Perspektive der Autoren sind eindrückliche Bitten und Skizzen für eine Weiterentwicklung dieses Feldes im Bereich der Kirchenmusik, verbunden mit dem Aufruf zu einem guten Mit- und Nebeneinander, entstanden.

Das Einzige was den Leser etwas befremden dürfte ist das Vorwort. Neben dem oben zitierten ersten Absatz, in dem von „mitspielen“ die Rede ist, wird da auch noch vom „belächeln“ des Genres gesprochen und vom möglichen neuen „Platzhirsch“ (auch wenn der tatsächlich in Anführungszeichen steht). Ja, es ist richtig, dass die populäre Musik (immer) noch ein Schattendasein im  kirchenmusikalischen Kontext führt. Es ist richtig, dass es noch ein langer Weg sein wird, bis es zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Klassik und Pop kommen wird, auch wenn die Weichen mittlerweile richtig gestellt sind. Aber musste es angesichts des ausgezeichneten Heftes ausgerechnet dieses Vorwort sein? Hätte man nicht besser die Einleitung zur Vorstellung der Verantwortlichen auf den Seiten 4 und 5 vorangestellt? So steht ganz am Anfang als Visitenkarte ein Aufschlag, der dem Heft nicht wirklich gerecht zu werden scheint.

Für den weiteren Diskurs zur Arbeitshilfe gibt es noch eine Webseite mit dem Titel zukunftsmusik.blog. Hier soll die Diskussion um die Inhalte stattfinden, auch wenn zum Zeitpunkt der  Rezension außer der Bestellung der Broschüre noch keine Kommentare zu finden waren. Diese werden aber kommen. Dazu lädt das Thema nach wie vor ein. Mal sehen, was da in den nächsten Monaten so alles zu finden sein wird. Vielleicht auch diese Rezension.

Thomas Nowack